Perfekte Symbiose aus Coolness und Lifestyle

Auf maximal zehn Prozent schätzt Land Rover-Europachef Bernard Kuhnt den Anteil der neuen 2WD-Version am Gesamtverkauf des Range Rover Evoque. Und trotzdem dürfte der Fronttriebler ansehnliche Stückzahlen erzielen – weil der Anfangserfolg des derzeit wohl coolsten Kompakt-SUV die Erwartungen des Managements weit übertraf. Übertroffen wurden auch unsere Erwartungen. Und zwar an die Fahrdynamik des Evoque eD4. NACHTRAG am Ende des Berichts.

Range Rover Evoque Coupé 2.2 eD4 Dynamic 2WD Natürlich will keiner zitiert werden. Aber sogar aus den Reihen der Mitbewerber wird dem unvergleichbaren Design des Range Rover Evoque Anerkennung gezollt. Ein großer Wurf, ähnlich wie beim Range Rover der ersten Generation vor mittlerweile 41 Jahren. Stilsicher, ohne willkürliche Karosserie-Sicken und sonstige Spielereien, drückt der Evoque dem boomenden Segment der Kompakt-SUV seinen Stempel auf.

Doch der eigentliche Clou: Die auf den ersten Blick absurd hoch wirkende Gürtellinie täuscht im Verein mit dem (vor allem beim Coupé) nach hinten stark abfallenden Dach über die inneren Werte des „kleinen“ Rangie hinweg. Das Raumangebot ist nämlich durchaus großzügig geraten. Auch im Fond, in den man beim Dreitürer freilich nicht ohne Verrenkung gelangt, kann man über Platzmangel nicht klagen. Ebenso manierlich: das Grundvolumen des variablen Laderaums, der im Fünftürer natürlich etwas üppiger geraten ist als im Coupé.

Mit seinen äußeren Abmessungen von 4.355/1.965/1.605 mm (L/B/H Coupé) resp. 4.365/1.965/1.635 mm (Fünftürer) zählt der Evoque jedenfalls zu den eher kompakteren Vertretern seiner Zunft. Auffallend ist sein relativ großer Radstand, wodurch sich – zumindest im Offroader-Vergleich – „nur“ ein guter Rampenwinkel von 22 Grad ergibt. Sehr gut sind die jeweils günstigsten Böschungswinkel: je nach Ausführung 25 oder 19 Grad (vorn) sowie 33 oder 30 Grad (hinten).

Die Lieferfristen für den Range Rover Evoque betragen rund fünf Monate

Der besondere Reiz des Evoque liegt aber nicht nur in seinen SUV-typischen Allround-Fähigkeiten. Herausragend sind die zur Wahl stehenden attraktiven Karosserie-Farben und -Farbkombinationen sowie durchwegs geschmackvollen Interieurs. Auch hier haben die Evoque-Designer ihre Meisterklasse bewiesen. Denn nicht alles, was „bunt“ ist, hinterlässt einen so gediegenen Eindruck wie hier. Zumal sich Material- und Verarbeitungsqualität auf gewohnt hohem Range Rover-Level bewegen.

Wegen der bevorstehenden Markteinführung des 2WD-Modells (Ende Februar/Anfang März 2012) konnte Auto-Kaufberatung.at sowohl mit einem frontgetriebenen Vorserien-Fahrzeug als auch mit einem geländetauglichen Allrad-Evoque mehrere Testkilometer absolvieren. Ob ein Range Rover mit purem Frontantrieb quasi ein Sakrileg ist oder nicht, erfährt man in der Foto-Galerie, wo wir alle Fahreindrücke schildern.

Künftige Evoque-Eigner müssen allerdings etwas Geduld aufbringen. Die große Nachfrage beim preisgünstigsten Range Rover aller Zeiten (ab 35.000 Euro gibt es den Fronttriebler) hat zu Lieferfristen geführt, wie man sie zumeist nur von deutschen Nobelmarken kennt. Wer heute einen neuen Evoque ordert, muss mit einer Wartezeit von zirka fünf Monaten rechnen.

Kunden von Audi, BMW und Mercedes werden zum Markenwechsel bewogen

Keinesfalls, so versichert Bernard Kuhnt, Regional Director Jaguar Land Rover Europe, gehe der Erfolg des Evoque zu Lasten höher positionierter Range Rover-Modelle (auch wenn die heimischen Oktober-Zulassungen hier als Momentaufnahme ein anderes Bild vermitteln): „Dank des Evoque gehen wir in Europa für 2012 von einer mengenmäßigen Steigerung von 80 Prozent aus. Und damit auch von annähernd 80 Prozent Neukunden, weil die Substitution innerhalb der Produktfamilie äußerst gering ist. Wobei diese Neukunden unserer Analyse zufolge primär aus dem Premium-Segment des Mitbewerbs abgezogen werden, sprich von Audi, BMW und Mercedes.“

Womit sich der 44-jährige Europachef anschickt, auch bei seinem ehemaligen Dienstgeber zu „wildern“. Als gebürtiger Schwabe hat er zuvor – wo sonst? – 20 Jahre lang beim Daimler geschafft. Was man Kuhnt auch insofern anmerkt, als er Fragen nach längerfristigen Marktprognosen routiniert umgeht: „Ich liefere Ihnen einen Einblick ins Evoque-Potenzial anhand eines exemplarischen europäischen Landes, in dem wir jährlich 3.000 Einheiten vom Evoque verkaufen wollten. Tatsächlich verkaufen wir aktuell 200 bis 250 Stück in der Woche! Ein Erfolg, der selbst jene bei uns überrascht, die relativ optimistisch geplant haben.“

Ebenso positiv überrascht ist man bei Land Rover vom Kaufverhalten der Evoque-Kunden. „Weil diese“, so Kuhnt, „entgegen unserer ursprünglichen Schätzungen weniger auf die Basisausstattung ,Pure’ reflektieren, sondern weitaus stärker die beiden höherwertigen Ausstattungslinien ,Dynamic’ und ,Prestige’ annehmen.“

Umso schwieriger, sollte man meinen, könnte sich der Evoque-Fronttriebler am Markt durchsetzen, noch dazu bei einem Hersteller mit derart traditionsreicher Offroad-Kompetenz. Kuhnt: „Deshalb erwarten wir uns für das 2WD-Modell im europäischen Schnitt auch höchstens einen zehnprozentigen Anteil.“ Deutlich weniger als bei den meisten SUV-Konkurrenten.

Schlussendlich stellt sich die Frage, inwieweit der Preisunterschied von – hier zu Lande – 2.400 Euro gegenüber dem 4WD-Modell bei einer Range Rover-Klientel die Kaufentscheidung zu Gunsten des Fronttrieblers beeinflussen kann? Vielleicht durch den Umstand, dass laut Kuhnt der Anteil weiblicher Evoque-Käufer fast 50 Prozent beträgt? Frauen gehen ja beim Autokauf bekanntlich pragmatischer vor. Und der Normverbrauch kann sich beim 2WD-Modell mit seinem auf Sparsamkeit getrimmten 150-PS-Dieselmotor durchaus sehen lassen: Beim Coupé sind’s nur 4,9, beim Fünftürer 5,0 Liter auf 100 km.

In Sachen Karosserie bevorzugen österreichische Evoque-Kunden, die ja schon seit einigen Wochen das 4WD-Modell erwerben können, jedenfalls die preisgünstigere (und bequemere) Variante, nämlich den Fünftürer. Das Verhältnis Fünftürer vs. Coupé bewegt sich laut Pressechef Dieter Platzer derzeit bei 60 zu 40 Prozent. „Der Trend“, ergänzt er, „entwickelt sich sogar noch stärker zum Fünftürer.“

Preisvergleiche, Start-Stopp-Systeme – kleine Ungereimtheiten beim Evoque

Dass Coupés in der Regel mehr kosten, ist zwar nicht neu, doch wie ein klassisches Coupé schaut der – zugegeben besonders lifestylige – Evoque-Dreitürer ja wirklich nicht aus. In Österreich allerdings, so ließ man uns dezidiert wissen, soll das Coupé gegenüber dem Fünftürer über eine serienmäßige Mehrausstattung verfügen, deren Wert auch exakt dem Mehrpreis von 1.100 Euro entspricht. Bloß: Fündig wurden wir nicht bei der Suche nach der höherwertigen Coupé-Ausstattung…

Da Importeurangaben im Internet aber nicht immer vollständig sein müssen, empfiehlt sich für die Klärung solcher Fragen der Händler Ihres Vertrauens. Der dürfte dann auch das Geheimnis lüften, weshalb alle Evoque mit manuellem Sechsgang-Getriebe über ein verbrauchsminderndes Start-Stopp-System verfügen – nur nicht der fünftürige Fronttriebler in „Pure“-Ausstattung! Wie gesagt: Importeurangaben im Internet, Stand 8. Dezember 2011.

Apropos Start-Stopp-System: Darauf müssen Käufer eines Modells mit dem Sechsgang-Automatikgetriebe verzichten. Der Evoque besitzt eine klassische Wandlerautomatik mit optimiertem Räderwerk und verbesserter Leerlauf-Steuerung. „Freilich“, so Dieter Platzer, „bräuchte man für die Kombination mit einem Start-Stopp-System eine völlig andere Automatik.“ Nachsatz: „Doch da sitzen wir mit vielen Mitbewerbern im gleichen Boot, zumal fast kein Autoproduzent selber Getriebe herstellt, sondern bei Zulieferern einkauft.“ Ergo gelte es, den nächsten Schritt der Getriebe-Spezialisten abzuwarten. Bei der zweiten Evoque-Generation dürfte es so weit sein.

„Etwas Besseres als Tata als Eigentümer konnte uns gar nicht passieren“

Worauf der Hersteller beim Evoque gerne verweist, ist die „umfassende Verwendung von Leichtbau-Materialien“. Trotzdem gehört der „leichteste Range Rover der Geschichte“ zu den schwersten Bröckerln im Segment der Kompakt-SUV. Doch auch hier ist Platzer um keine Argumente verlegen: „Ich erkläre das mal am Beispiel des Freelander. Stellen Sie den auf eine Hebebühne und schauen Sie sich die massiven Teile darunter an – doppelt so stark wie beim Mitbewerb, das ist mit freiem Auge erkennbar. Diese Topqualität ist Land Rover seinen Kunden schuldig!“ Umkehrschluss: „Um einem Range Rover jene Haltbarkeit zu verleihen, die unsere Kunden erwarten, müssen wir intensiven Leichtbau betreiben, sonst wären unsere Autos erheblich schwerer.“

Was vielleicht noch schwerer wiegt – im besten Sinne des Wortes – ist die seinerzeitige Übernahme des britischen Traditionsunternehmens durch den indischen Tata-Konzern. Platzer: „Was Besseres konnte uns gar nicht passieren.“ Auch für Kuhnt steht außer Frage, „dass die Art und Weise, wie sich Tata gerade auch in der Krise 2009 langfristig zu Jaguar Land Rover committed hat, absolut vorbildlich ist. Und derzeit werden nicht nur viele neue Arbeitsplätze geschaffen durch die Einstellung von tausend Technikern, in England ist auch eine neue Motorenfabrik im Entstehen.“

Erste Fahreindrücke darüber, wie sich der Evoque-Fronttriebler gegenüber seinem Offroad-Pendant mit permanentem Allrad-Antrieb schlägt, finden sich nun in der Foto-Galerie.

NACHTRAG: „Selbstverständlich“, so Land Rover-Pressechef Dieter Platzer in seiner Reaktion auf unseren Hinweis zu den Importeurangaben im Internet, „verfügt auch der fünftürige Evoque eD4 mit ,Pure’-Ausstattung über das Start-Stopp-System.“ Und selbstverständlich wurde dies mittlerweile auf der Land Rover-Website entsprechend richtig gestellt.

Website des Importeurs: www.landrover.at

Stand: Dezember 2011

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