Oberklasse im Tankstreik: Kein Audi für Saudi

Können sich ausgewachsene Limousinen in einen Tankstreik begeben? Es hat fast den Anschein, nachdem wir mit einem Audi A6 3.0 TDI rund 2.000 Kilometer zurücklegten, die nur zwei Tankstopps erforderlich machten. Im Test begnügte sich der 204 PS starke Oberklasse-Diesel mit sensationellen 6,6 Litern auf 100 km. Und das bei vorwiegend hohem Reisetempo auf deutschen Autobahnen! Ein Albtraum für saudiarabische Ölscheichs.

Audi A6 3.0 TDI Multitronic Die Zeiten haben sich geändert. Nicht nur für Saudis. Schon lange wird die automobile Oberklasse nicht mehr allein von BMW und Mercedes beherrscht. Audi ist seit Jahrzehnten ein ebenbürtiger Gegner. Wobei die Spitze bei den Neuwagen-Verkäufen meistens immer jener Hersteller markiert, der gerade das jüngste Modell anbieten kann.

Insofern stehen die Zeichen für den Audi A6 derzeit günstig. Denn nach der im Vorjahr eingeführten neuen Limousine gibt es bei den Händlern mittlerweile auch das Kombi-Pendant namens Avant. Im November hat sich die Komplettierung der neuen Modellreihe bereits bemerkbar gemacht: Dem 5er BMW, seinem schärfsten Rivalen, hat der A6 bei den heimischen Neuzulassungen heuer erstmals den Rang abgelaufen.

Datenblatt
Motor 24V-V6-Turbodiesel, 2.967 ccm, Partikelfilter, Euro 5
Leistung 150 kW/204 PS bei 3.750–4.500/min
Spitze 240 km/h
Testverbrauch 6,6 l/100 km
Normverbrauch 5,1 l/100 km
CO2 133 g/km
L/B/H 4.915/1.874/1.455 mm
Leergewicht 1.645 kg
Gesamtgewicht 2.225 kg
Preis EUR 49.760,- inkl. 6% NoVA und 20% MwSt.
Stand: Dezember 2011

Auto-Kaufberatung.at war mit der goldenen Mitte aus dem A6-Programm unterwegs: einer Limousine mit Frontantrieb und jenem V6-Dieselmotor, der 204 Pferdestärken mobilisiert, die sich in Kombination mit der stufenlosen „Multitronic“ als durchaus lebhaft erwiesen. Das Automatikgetriebe hat dabei in jeder Hinsicht gefallen – sowohl durch spontanes Ansprech- als auch durch adaptives Verhalten, etwa auf Serpentinen. Daher kann man selbst im Gebirge auf den manuellen Modus, für den extra acht Fahrstufen einprogrammiert wurden, getrost verzichten.

Apropos Serpentinen: Auch wenn Audi gern auf die „leichte“ Karosserie mit Alu-Elementen verweist, ist es doch faszinierend, mit welcher Agilität sich dieses Fünfmeter-Schiff durch enge Kurven bewegt. Ein Verdienst, das nicht zuletzt der ebenso präzisen wie direkten Lenkung zuzuschreiben ist. Und sicher auch dem optionalen Sport-Fahrwerk, mit dem das Testexemplar ausgerüstet war. Der Haken daran: Der Federungskomfort leidet deutlich darunter.

Die Qual der Wahl: Nicht bei allen Optionen geht einem ein Licht auf

Unsere Empfehlung daher: Wer mit der sportlichen Abstimmung liebäugelt, sollte den A6 zuvor mit dem Serien-Fahrwerk erproben. Wir meinen: Die Fahrsicherheit des Audi ist so überragend, dass die Komforteinbußen in keinem Verhältnis zur gesteigerten Kurvendynamik stehen. Außerdem bietet der A6 eine Fülle an innovativen Optionen, unter denen sich auch sinnvollere Goodies befinden. Zum Beispiel die exzellenten Xenon-Scheinwerfer in Verbindung mit dem Fernlicht-Assistenten. Kostenpunkt: 1.697 Euro.

Weitaus billiger hat’s das Testexemplar beim Spritverbrauch gegeben: Mit durchschnittlich 6,6 Diesellitern auf 100 km haben wir in diesem Segment bisher noch kein Fahrzeug betrieben, schon gar nicht mit einem V6-Triebwerk. Ein oder zwei Zehntelliter dürften dabei aufs Konto des perfekt agierenden Start-Stopp-Systems gehen, das sich nach jedem Kaltstart innerhalb weniger Minuten aktiviert hat – selbst bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt.

Als etwas zu cool im „eissilber“ lackierten Testwagen empfanden wir dessen Grau-in-grau-Interieur, zumal Audi statt des schlichten Alu-Looks auch sehr edles Holz-Dekor offeriert. Gegen Aufpreis, versteht sich. Serienmäßig dagegen: die erstklassige, kaum überbietbare Verarbeitungsqualität, der die haptischen Qualitäten der Materialien nicht nachstehen.

Von deutscher Gründlichkeit – bei Ergonomie wie auch Logik – zeugt außerdem die weitgehend tadellose Cockpit-Bedienung („weitgehend“ deshalb, weil unser Senior-Tester noch auf kleine Kritikpunkte hinweisen wird). Treffendes Beispiel: Audis selbsterklärendes Infotainment-System MMI, das auch für Ungeübte keiner großen Eingewöhnung bedarf.

Knapp 50.000 Euro kostet der A6 3.0 TDI Multitronic inklusive aller wesentlichen Sicherheitsfeatures. Keine Okkasion. Doch in dieser Preisklasse bieten die Ingolstädter derzeit das wahrscheinlich beste Auto am Weltmarkt. Der Traumwagen der Österreicher heißt offensichtlich zu Recht Audi A6.

SENIOREN SPECIAL  (Erklärung siehe Rubrik „Über uns“)

„Zwei Fakten will ich unterstreichen“, kommentiert unser 73-jähriger Co-Tester den „offiziellen“ Fahrbericht von Auto-Kaufberatung.at: „Erstens die vorzügliche Abblend-/Fernlicht-Automatik, die man nicht nur älteren Autofahrern ans Herz legen sollte. In keinem anderen damit ausgerüsteten Gefährt, das mir zur Verfügung stand, hat sie so prima funktioniert wie im Audi.“ Und zweitens? „Damit meine ich diesen Härtefall, der sich Sport-Fahrwerk nennt. Geschmeidig ist anders. Gott sei Dank dämpft der optionale Sportsitz so gut, dass man sich mit der Zeit daran gewöhnt.“

Insgesamt, versichert der Senior, sei er vom A6 restlos begeistert: „Das betrifft das vorbildliche Finish ebenso wie das unglaubliche Handling und natürlich den feinen Selbstzünder. Zu meiner eigenen Überraschung hat’s mir aber besonders die Multitronic angetan, die mit der Maschine herrlich harmoniert. Ein stufenloser Selbstschalter, der so unaufgeregt für optimale Kraftübertragung sorgt, hat Seltenheitswert. Von dieser Abstimmung sollten sich andere Hersteller, sag’ ich einmal, inspirieren lassen.“

Umso verwunderter zeigt sich unser Teamältester, „dass die Multitronic für manche Audi-Fahrer, die Automatik bevorzugen, eher zweite Wahl ist. So hat sich ein Bekannter von mir einen A6 quattro zugelegt, damit er mit einer S-tronic-Automatik fahren kann – obwohl ihm ein Fronttriebler genügt hätte. Vielleicht spielt da auch eine Rolle, dass die Multitronic früher als relativ defektanfällig galt.“

(Anm. d. Red.: Die siebengängige S-tronic gibt es beim A6 ausschließlich mit Allrad-Antrieb, die stufenlose Multitronic nur mit Frontantrieb.)

Nach dieser Liebeserklärung an die Multitronic kramt der Senior-Tester seine Notizen über diverse Bedienungsmängel hervor: „Bei der Regulierung der Gebläserichtung finde ich unpraktisch, dass man dazu erst die Taste mit dem Piktogramm drücken und dann einen Drehschalter betätigen muss. Außerdem ist mir aufgefallen, dass die Einstellung der Sitzheizung nach Ausschalten der Zündung gespeichert bleibt, was ja sonst nur bei einem simplen Rändelrad passieren kann, wenn man es nicht zurückstellt.“ Und schließlich: „Was die Funktionalität des Tempomaten betrifft, kann ich Audi nur eines empfehlen: Schlag nach bei Daimler!“

Ein Seitenhieb, den man in Ingolstadt verkraften dürfte. Nobody is perfect. Auch nicht das „wahrscheinlich weltbeste Auto“ in seinem Segment.

Website des Importeurs: www.audi.at

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