Bewährungsprobe des ersten E-Lkw: Nr. 1 lebt!

Mit dem 44 kW starken Kangoo Z.E. offeriert Renault seit Jahresbeginn den ersten Serien-Transporter mit reinem Elektro-Antrieb. Und Nummer 1 lebt! Obwohl sie sich akustisch nicht bemerkbar macht. Ein Fahr-Erlebnis der anderen Art. Übrigens auch fürs Geldbörsel. Denn die Betriebskosten des kompakten E-Transporters machen sich ebenfalls kaum bemerkbar. Vor allem dann, wenn sowohl Strompreis als auch Jahreszeit „passen“.

Renault Kangoo Z.E. Kastenwagen Elektro-Autos bieten viel Diskussionsstoff: Angefangen von der grundsätzlichen Überlegung, wann sich deren wenig umweltfreundliche Produktion – bei der Herstellung eines E-Mobils entsteht weitaus mehr CO2 als bei der eines konventionell betriebenen Fahrzeugs – im Laufe ihres CO2-freien Daseins kompensiert. Wobei natürlich auch die Lebensdauer der Batterie sowie die Stromherkunft eine maßgebliche Rolle spielen. Bis zur alltäglichen Frage, wo, wie und wann man den Strom möglichst preisgünstig beziehen kann. Was derzeit besonders aktuell ist, weil die Arbeiterkammer den Strom-Lieferanten vorwirft, dass diese günstigere Großhandels-Preise nicht weitergeben würden. Österreichs Autofahrer dürfte dabei ein Déjà-vu befallen. Schließlich kennt man dieses Verhalten schon von den Ölmultis zur Genüge.

Datenblatt
Motor Elektro-Synchronmotor
Leistung 44 kW (60 PS) bei 12.000/min
Spitze 130 km/h
Test-Reichweite 119 km
Norm-Reichweite 170 km
L/B/H 4.213/1.829/1.805 mm
Leergewicht 1.501 kg
Nutzlast 625 kg
Gesamtgewicht 2.126 kg
Preis netto EUR 20.000,- (Batterie-Miete und Förderung siehe im Bericht)
Stand: August 2012

Drei Fakten zu Gunsten des E-Autos sind jedenfalls unumstößlich. Erstens: Entgegen mancher Schreckensmeldung aus der jüngeren Zeit setzt man sich keiner latenten Brandgefahr aus. Sofern man nicht mit einem E-Vehikel Marke „Eigenbau“ unterwegs ist, versteht sich. Oder womöglich (es gibt nichts, was es nicht gibt) mit einem „bombensicheren“ Direkt-Import aus China. Und sofern man sich im Umgang mit einem modernen E-Auto nicht patschert anstellt, sondern alle Warnhinweise beherzigt, was zum Beispiel den Ladevorgang betrifft. Dazu bedarf es freilich eines kurzen Studiums der „hoch spannenden“ Betriebsanleitung. So viel Zeit muss sein!

Zweitens: Für verkehrsreiche Ballungsräume ist jedes E-Fahrzeug im Tausch gegen ein Auto mit Verbrennungs-Motor eine regelrechte Wohltat! Völlig egal, ob das E-Fahrzeug mit Strom aus einem „bösen“ Kern- oder „braven“ Wind-Kraftwerk gespeist wird. Allein die lokale Emissionsfreiheit ist schon ein Schritt in die richtige Richtung. Zumindest mit Blick auf solche urbanen Bereiche, in denen Anwohner das ganze Jahr über praktisch hinter verschlossenen Fenstern leben müssen.

Und drittens muss die geringe Reichweite von E-Autos kein einzementiertes Kaufhindernis sein. Zumal in ganz Europa 87 Prozent aller Strecken, die mit dem Auto pro Tag zurückgelegt werden, nicht länger als 60 Kilometer sind. Das ist natürlich nur der statistisch erhobene Durchschnitt. Aber: Wer im gewerblichen Einsatz täglich definitiv nicht mehr als 100 Kilometer weit fährt, der ist schon ein potenzieller Kandidat für unser Testexemplar, den zweisitzigen Renault Kangoo Z.E. (steht für Zero Emission) mit einem Ladevolumen von 3.000 Litern. Zumal dessen Grundpreis von netto 20.000 Euro im E-Auto-Segment eine echte Ansage ist.

Halb so teuer wie üblich – die Faustformel für den Betrieb eines E-Autos

Keine Ansage ist dagegen die Infrastruktur an Ladestationen – auch wenn sie sich hier zu Lande zusehends verdichten. Ist die Akku- bzw. Batterie-Aufladung weder im eigenen Betrieb noch daheim zu bewerkstelligen, dann sollte sie zumindest im näheren Umfeld erfolgen, sonst wird die Angelegenheit mühsam. Außerdem kann das Stromzapfen im Extremfall elf Stunden beanspruchen. Nämlich dann, wenn der Antriebsakku praktisch leer ist und an einer Haushalts-Steckdose aufgeladen wird – statt an einer Ladestation mit mehr Power. Planung und etwas Organisationstalent sind also gefragt.

Stellt sich die Frage, wie hoch die „Tankkosten“ sind, die man für ein Elektro-Auto veranschlagen muss. Einfach gesagt: höchstens halb so hoch wie bei einem vergleichbaren Modell mit Verbrennungs-Motor. Bei einem Stadt-Lieferwagen wie dem Kangoo Z.E. findet man jedenfalls locker mit rund vier Euro auf 100 Kilometer das Auslangen. Und selbst das sei schon überaus großzügig bemessen, versichert Fritz Vogel, Geschäftsführer von Everynear und ausgewiesener Experte in Sachen E-Mobilität.

Natürlich hängt auch beim E-Auto der Verbrauch entscheidend von der Fahrweise ab. Doch die beiden variabelsten Kostenfaktoren heißen Jahreszeit und Strompreis. Die Jahreszeit deshalb, weil Energiefresser wie Klima-Anlage (gibt’s im Kangoo Z.E. zum Aufpreis von netto 820 Euro) oder Heizung bei hoher Leistung deutlich an der Reichweite knabbern. Wobei der ebenfalls optionale Diesel-Zuheizer (kostet netto 590 Euro) die Situation im Winter merklich entschärft.

Und beim Strompreis kommt’s auf die Flexibilität des E-Auto-Eigners an: Bei „gemütlicher“ Nacht- statt eiliger Tagesladung bewegt sich der aktuelle Tarif auf einem Level von 15 bis 20 Cent pro kWh. Da die Kapazität der Lithium-Ionen-Batterie 22 kWh beträgt, schlägt eine volle Akku-Ladung mit 3,30 bis 4,40 Euro zu Buche. Besteht die Möglichkeit, den Bedarf an Strom zu jener Zeit zu decken, in der er vom Energieversorger am günstigsten zur Verfügung gestellt wird, kann der Preis noch etwas niedriger ausfallen.

Der Idealzustand für Hausbesitzer, meint der Techniker Vogel, sei freilich eine Photovoltaik-Anlage: „Die kann man heute schon mit rund 10.000 Euro errichten, wodurch in sechs von zwölf Monaten der Strombedarf des E-Fahrzeugs und von anderem mehr gedeckt werden kann.“

„Eine Million Kilometer“ – der unerschütterliche Glaube des Everynear-Chefs

Ein klares Plus beim E-Auto ist dessen Wartungsarmut. Dank der weitaus geringeren Anzahl beweglicher Teile liegen die Servicekosten „um rund 20 bis 25 Prozent unter denen eines vergleichbaren Modells mit Verbrennungs-Motor“, erklärt Renault-Pressechefin Dorit Haider. Was laut Vogel mit ein Grund für die Zukunftsangst der Autobranche vor der E-Mobilität sei. Man befürchte, „dass die Wartungskosten und damit die Umsätze in diesem Bereich massiv sinken werden“.

Und als glühender E-Auto-Verfechter legt der Everynear-Chef noch ein ordentliches Schäuferl nach: „Der Elektro-Motor erzielt ohne Probleme eine Million Kilometer!“ So gesehen nimmt sich Renaults Garantie für den E-Antrieb geradezu bescheiden aus: Fünf Jahre werden gewährt, ab dem dritten Jahr bis zu einer Laufleistung von 100.000 km. Auf maximal 180.000 km kann die Garantie gegen klingende Münze erweitert werden.

Die derzeit größte Unwägbarkeit beim E-Auto – die Lebensdauer der Akkus – hat Renault bekanntlich mit der Batterie-Miete umgangen. Diese beträgt je nach Vertragsdauer (zwölf bis 36 Monate) und jährlicher Fahrleistung (10.000 bis 30.000 km) zwischen 72 und 145 Euro monatlich. Ein Makel auf der schönen Betriebskosten-Abrechnung? Nicht wirklich. Denn schließlich erspart man sich die Kosten für Wartung oder gar Austausch, falls die Batterie ihren Geist aufgibt. Der Mietvertrag gewährleistet eine jederzeit funktionsfähige Batterie.

Natürlich können auch die Renault-Kalkulatoren nicht zaubern. Manches Unentbehrliche gibt es nur optional: Die Kosten eines Beifahrer- und eines Seiten-Airbags auf der Fahrerseite (jeweils netto 200 Euro), eines Ladekabels für einfache Haushalts-Steckdosen (netto 400 Euro), eines in der Höhe verstellbaren Fahrersitzes (netto 80 Euro) oder auch seitlich im Laderaum angebrachter Verzurr-Ösen (netto 50 Euro) sowie der zuvor erwähnten Goodies Klima-Anlage und Diesel-Zuheizer müssen auf den reizvollen Anschaffungspreis draufgeschlagen werden. Mehr dazu sowie die technischen Daten findet man auf der Preisliste für alle Kangoo Z.E.-Varianten, die durchwegs (auch der Fünfsitzer) zum Vorsteuer-Abzug berechtigt sind.

Was sich nicht dort findet, sind die verschiedenen Förderzuckerln für heimische E-Auto-Käufer (allerdings nur für juristische Personen wie Unternehmer etc.). Bundesweit werden sie mit 2.500 Euro oder sogar mit 5.000 Euro geködert, sofern sie sich zum Bezug von Ökostrom verpflichten. Wodurch sich der Kangoo Z.E.-Einstiegspreis auf g’schmackige 15.000 Euro netto reduziert. Wie es mit Förderungen in den Ländern aussieht, erfährt man z.B. auf der Website des ÖAMTC.

Das Fahr-Erlebnis mit dem Renault Kangoo Z.E. – anders als gewohnt

Eine Gemeinsamkeit gibt es doch bei Fahrzeugen mit Verbrennungs- und Elektro-Motor: die Norm-Angaben der Hersteller zu Verbrauch resp. Reichweite. Mit der Praxis haben diese meist wenig zu tun. So auch die Reichweite von 170 Kilometern, die Renault für den Kangoo Z.E. offiziell angibt. In früheren Presse-Aussendungen ist sogar von optimistischen 200 Kilometern die Rede. Die dürfte aber nicht mal ein Fahrkünstler wie der im Dienste des VW-Konzerns stehende Spritspar-Weltmeister Gerhard Plattner erzielen.

Das Display im Testexemplar hat jedenfalls nach keinem Ladevorgang mehr als 119 Kilometer maximale Reichweite angezeigt. Womit sich uns natürlich die Frage aufgedrängt hat, ob man auch tatsächlich so weit kommt mit dem Kangoo Z.E. An einem lauen Sommertag haben wir’s ohne Klima-Anlage ausprobiert und sind aus dem Westen Wiens zum Zielort Payerbach a.d. Rax aufgebrochen.

Auf der A2 belegten wir mit 90 bis 100 km/h die rechte Spur. Trotzdem hatten wir nicht den Eindruck zu „zuckeln“. Im Gegenteil: Man gleitet fast lautlos dahin und fühlt sich vom restlichen Verkehr wie entkoppelt – beobachtet ihn, als würde man im Abteil eines nebenher fahrenden Zuges sitzen statt in einem Elektro-Fronttriebler.

Nach 90 Kilometern hatten wir unser Ziel erreicht. 25 Rest-Kilometer wären uns noch zur Verfügung gestanden. Nach Wien zurück (wieder mit vollem Akku) sind sogar 29 Kilometer verblieben. Ergibt eine optimale Reichweite von – tatsächlich – 119 Kilometern. Hätten wir in der Stadt den Sparmodus „Eco“ aktiviert, dessen Leistung für die City absolut ausreicht, wären es wohl noch zwei, drei Kilometer mehr geworden.

Freilich kann man auch flott unterwegs sein und sich dabei an der linearen Beschleunigung durch die stufenlose Automatik erfreuen, zumal das maximale Drehmoment von 226 Nm konzeptionsbedingt vom Stand weg parat steht. Auffallend: Wegen der starken Motorbremse wird schon spürbar verzögert, sobald man den Fuß nur vom „Gas“ nimmt (Stichwort Energie-Rückgewinnung). Was dicht auffahrende Hintermänner mitunter irritiert, weil ja kein Bremslicht aufleuchtet.

Vielleicht geht dafür jenen Unternehmern ein Licht auf, die explizit einen Firmenwagen für den Kurzstrecken-Einsatz suchen und sich dazu die Betriebskosten eines Kangoo Z.E. verinnerlichen. Vom beruhigten Umweltgewissen und von der Image-Aufwertung als „grünes“ Unternehmen gar nicht zu reden.

Zusätzlich bietet Renault zahlreiche Dienste an, um den Einstieg in die Z.E.-Welt noch schmackhafter zu machen. Oder um ihn zumindest zu erleichtern. Es kann also nicht schaden, sich mit dem Thema „Elektro-Auto“ etwas näher zu befassen. Besser heute als morgen.

PS: Allen, die den sonst obligaten Kommentar unseres Senior-Testers vermisst haben, sei versichert: Beim nächsten Fahrbericht wird er sich mit seinen ebenso launigen wie launischen Bemerkungen wieder in Szene setzen. Er hat sich nur kurz in den wohlverdienten Urlaub verabschiedet.

Umso stärker haben wir den Kangoo Z.E. in der Foto-Galerie in Szene gesetzt, wo wir auf manche seiner Eigenarten noch näher eingehen.

Website des Importeurs: www.renault.at

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