Seat-Taktik: Wer zuerst bremst, hat gewonnen!

Wie alle VW-Marken kann auch die spanische Konzerntochter Seat nicht klagen. Österreich-Importeur Allmobil hat in den ersten drei Monaten 2012 fast genau die Stückzahlen des vorjährigen Startquartals abgesetzt – und dabei die Asse Ibiza und Mii noch gar nicht (richtig) ausgespielt. Zumal der Mii mit einer Karte sticht, die keiner übertrumpfen kann. Welche Asse er noch im Ärmel hat, hat uns Allmobil-Chef Wolfgang Wurm verraten.

Seat Mii Nach dem vorjährigen Rekordjahr ist man bei Seat Österreich zuversichtlich, die heimischen Autokäufer auch heuer bei der Stange zu halten. Ende März hat man das frisch gestriegelte Zugpferd Ibiza resp. Ibiza ST (Kombi) ins Rennen geschickt. Und ab 11. Mai erfolgt die Einführung des dreitürigen Konzern-„Drillings“ Seat Mii, der gemeinsam mit den baugleichen Modellen VW up! und Skoda Citigo im VW-Werk Bratislava produziert wird.

Etwas Geduld muss man noch für die fünftürigen Versionen aufbringen: VW wird den schon auf dem Markt befindlichen up! als Fünftürer voraussichtlich im Juli nachschieben. Beim Mii dürften die zusätzlichen Pforten ab August und beim Citigo ab September lieferbar sein.

Eine taktisch kluge Entscheidung für den Seat Mii ist der kostenlose „City-Notbrems-Assistent“ in all jenen Fahrzeugen, für die der Kaufvertrag bis 31. Mai 2012 unterzeichnet wird. Der Aufpreis für diese Innovation beträgt zwar nur 260 Euro. Wesentlich ist aber, dass durch diese Aktion dem Thema Sicherheit im Kleinwagen-Segment ein höherer Stellenwert eingeräumt wird.

Ein treffendes Beispiel dafür ist ESP: Wird es optional angeboten, scheuen Kleinwagen-Käufer nach wie vor die Investition oder geben einem weitaus weniger relevanten Gimmick den Vorzug. Beim Mii dagegen gehört ESP schon ab dem Basismodell zur Serienausrüstung, zumal sonst auch die Notbrems-Funktion nicht installiert werden könnte.

Mit der limitierten Gratis-Beigabe dieses Sicherheitsfeatures hat Seat Österreich ein Alleinstellungs-Merkmal, wie Wolfgang Wurm, Chef der Seat-Importgesellschaft Allmobil, hervorhebt: „In unseren Augen ein ideales Goodie, nachdem der Mii nun mal ein Stadtauto ist. Und in der Stadt passieren durch Unaufmerksamkeit eben am ehesten kleine Auffahrunfälle. Blechschäden, die man sich dank des Notbrems-Assistenten ersparen kann.“

Wie dieses System in der Praxis funktioniert, erfährt man beim Startfoto dieses Beitrags und in der Foto-Galerie, wo auch unsere Eindrücke von einer Probefahrt mit dem 75 PS starken Seat Mii und dem ebenfalls 75 PS starken Seat Ibiza SC TDI Ecomotive geschildert werden. Mit der beispielhaften Einführungsaktion für den Mii hat das heimische Seat-Marketing jedenfalls auch die konzerninternen Mitbewerber strategisch ausgebremst.

Apropos Mitbewerb: Mit der phonetisch eindeutigen Aufforderung „Lease Mii“ kann der kleine Seat (Einstiegspreis 7.990 Euro) durch Finanzierung über die Porsche Bank bereits ab drei Euro pro Tag ohne Anzahlung übernommen werden. Wäre der Begriff nicht schon anderweitig in Verwendung, könnte man hier glatt von einem Butterbrot-Angebot sprechen.

Und noch ein Hinweis, bevor das Interview mit Wolfgang Wurm startet: Alle Mii-Versionen, also mit 60 und mit 75 PS, werden auch mit einem automatisierten Schaltgetriebe offeriert. Doch im Gegensatz zu den Serien-Versionen mit manuellem Fünfgang-Schaltgetriebe kann der Mii mit Selbstschalter vorerst nicht bestellt werden, weil der Aufpreis noch nicht kalkuliert ist. Bis zum Marktdebüt, verspricht Seat, werden die Automatik-Preise jedoch feststehen.

Spätestens Mitte Mai wird Seat mit dem Mii den nächsten Coup landen

Auto-Kaufberatung.at (AKB): Wie erfolgt im Marketing eigentlich die Abgrenzung zwischen Seat Mii und Skoda Citigo? Beide werden zum gleichen Einstiegspreis und mit beliebten Ausstattungspakten samt Preisvorteilen von rund 400 bis 500 Euro angeboten. Wobei der Mii angeblich eher das Jungvolk ansprechen soll und der Citigo das konservativere Publikum. Für den es übrigens bis zum Jahresende kostenlose Dekor-Folien in Schwarz und Silber gibt. Schaut gar nicht konservativ aus. Will Skoda etwa in der Seat-Klientel wildern?
Wolfgang Wurm: Na ja, das schnittige Seat-Gesicht des Mii passt schon sehr stimmig zu unserem Konzept. Und in Wirklichkeit überschneiden sich die Skoda- und Seat-Kunden ja nicht. Wir haben eigentlich das ganz junge Publikum. Und das kann bei Seat – nicht nur beim VW up! – echte Design-Highlights ordern, wie beim Mii etwa das in Weiß- oder Anthrazit-Metallic lackierte Armaturenbrett. Noch jünger als beim Mii ist aber das Ibiza-Publikum, weil der Ibiza eher sportlich ausgelegt ist. Der Mii dagegen hat eine etwas höhere Sitzposition und ist ein typisches Zweitauto. Insofern hoffen wir auch, hier nicht allzu viel zu substituieren. Die Ibiza-Kunden sollen ja nicht eins zu eins zum Mii überlaufen, mit dem unsere Händler doch deutlich weniger Geld verdienen.

AKB: Aus diesem Grund hat man sich bei Seat Österreich aber sicher nicht so bescheidene Ziele für den Mii gesetzt, für den man heuer nur 400 Zulassungen geplant hat, also innerhalb von sieben Monaten. Das schafft der Fiat 500 in sieben Wochen. Und auch vom Imageträger VW up! wurden im ersten Quartal fast 700 Stück verkauft. Betreibt Seat da Understatement?
Wurm: Lieber eine Politik, bei der man anfangs mit niedrigeren Stückzahlen operiert und zum Jahresende mehr erzielt als umgekehrt. Davon abgesehen haben wir uns ein bisserl an den Erfahrungswerten mit dem Arosa orientiert, der bis 2005 im Programm war. Das war ein Spitzenauto, vielleicht im Preis ein wenig zu ambitioniert, aber vor allem nur ein Dreitürer, weil man damals Angst hatte, sich mit einem Fünftürer ins eigene Fleisch zu schneiden. Zwischenzeitlich ist man gescheiter geworden. Obwohl Seat im Konzern den höchsten Dreitürer-Anteil hat, wie man am Ibiza sieht. Wobei sich das Ibiza-Sportcoupé natürlich auch im Design von der fünftürigen Version klar unterscheidet.

AKB: Beim Mii rechnet Seat aber mit einem Karosserie-Mix, wonach 70 Prozent aller Verkäufe auf den Fünftürer entfallen.
Wurm: Das stimmt. Ich glaube auch persönlich, dass der Großteil der Mii-Kunden zum Fünftürer greifen wird. Mag sein, dass bei den geschätzten 400 Mii im heurigen Jahr auch mitgespielt hat, dass vorerst nicht ganz klar war, wie rasch der Fünftürer zur Verfügung stehen wird. Insgesamt bleibt jedoch abzuwarten, wie sich Mii und Ibiza zueinander im Handel entwickeln.

AKB: Vom VW-Konzern aus wird aber nicht gesteuert, wie viele Mii in den Markt dürfen, um womöglich den up! nicht zu stark zu beschneiden?
Wurm: Nein! Massenautos wie der Mii sind immer auf Stückzahlen ausgelegt. Wenn wir mehr brauchen, kriegen wir auch mehr. Lieferprobleme sind jedenfalls kein Thema. Außerdem haben wir mit dem Mii noch etwas ganz Besonderes vor, das aber erst in zirka zwei Wochen spruchreif ist. (Weshalb Auto-Kaufberatung.at darüber leider auch noch nicht berichten darf. Nur so viel: Die Autobranche wird möglicherweise ein kleines Déjà-vu erleben… Anm.d.Red.)

Ein Seat Ibiza ohne „Österreich-Paket“ ist wie ein Ei ohne Dotter

AKB: Vor kurzem erfolgte der Marktstart des überarbeiteten Ibiza. Ist dieser nach Ihren Vorstellungen verlaufen?
Wurm: Der ist sehr zufrieden stellend verlaufen. Natürlich auch wegen des in der Einführungszeit kostenlosen Österreich-Pakets. Dieses Ö-Paket hatten wir, auch auf Anregung des Handels, immer nur in der Reference-Version gehabt. Jetzt ist es aber so, dass die Style- und die sportliche FR-Version günstiger kalkuliert wurden und daher preislich näher an die Reference-Version gerückt sind. Natürlich mit dem Kalkül, dass sich die Kunden vermehrt für die höherwertig ausgestatteten Versionen entscheiden. Diese Hoffnung hat sich in Anbetracht der ersten Verkäufe erfüllt, zumal die Ö-Pakete auch in den gehobenen Versionen mit dabei sind. Wobei wir auch beim bisherigen Modell, als die Ö-Pakete nicht mehr gratis angeboten wurden, eine Einbaurate von über 80 Prozent hatten.

AKB: Warum wird der Ibiza eigentlich nur in einer Kombination mit DSG angeboten – nämlich mit dem für diese Klasse saustarken 150-PS-Benziner? Es wird doch wohl auch Ibiza-Fahrer der Generation 50plus geben, die den Komfort einer Automatik zu schätzen wissen, und nicht nur „dynamisches Jungvolk“, das gern im Getriebe herumrührt?
Wurm (schmunzelt): Natürlich gibt es eine Nachfrage nach mehr Automatik-Modellen. Wir werden darauf auch reagieren: Im Herbst wird das Automatik-Angebot für den Ibiza erweitert und dabei den Diesel mit einschließen.

AKB: Das klingt ja bald nach wunschlos glücklich?
Wurm: Nicht ganz. Wir sind zwar mit dem Absatz sehr zufrieden, müssen aber aus unserer Sicht – das sollte man bei der Gesamtbetrachtung berücksichtigen – mit erschwerten Marktbedingungen leben. Und zwar deshalb, weil der Firmenkunden-Anteil im Autohandel derzeit wieder stark steigt und der Privatkunden-Anteil etwas zurückgeht. Doch beim Seat-Modellprogramm sind wir auf Privatkunden sehr angewiesen. Ausnahmen wie der Alhambra, bei dem wir mit dem Liefern kaum nachkommen, bestätigen nur die Regel. Denn auch bei unserem großen Van merken wir, dass die Privatkunden zurzeit etwas verhaltener sind.

AKB: Wechseln wir vom erfolgreichen Ibiza zum Mauerblümchen Exeo. Warum verkauft sich der in der Relation so schwach? Weil er ein A4-Ableger ist? Weil er vom Marketing vernachlässigt wird?
Wurm: Ein wunder Punkt. Der Exeo ist ein ebenso schönes wie hochwertiges Auto, und tatsächlich würden wir uns wünschen, mehr von ihm zu verkaufen. Doch ganz ehrlich: Wenn man mit einem beschränkten Werbebudget operiert und ein Verkaufsvolumen von über 40 Prozent Ibiza hat, ist man natürlich auch geneigt, den Ibiza weiter zu forcieren.

AKB: Wäre der Exeo Kombi nicht auch als Firmenauto denkbar, oder passt er nicht ins Schema?
Wurm: Denkbar schon, aber als ein zweischneidiges Schwert. Denn wenn man bei dem Geschäft mitnaschen will, muss man erst mal Türen in den Firmen öffnen und dafür einen entsprechenden Aufwand betreiben. Zumal die Image-Komponente natürlich eine Rolle spielt. Sprich: Firmenangehörige werden, wenn man ihnen die Wahl lässt, sich ziemlich sicher für den Audi A4 entscheiden, um auch zu demonstrieren, was sie dem eigenen Unternehmen quasi wert sind. Was hilfreich ist beim Exeo, sind interessanterweise die neu designten Xenon-Scheinwerfer, die bei den gehobenen Ausstattungslinien serienmäßig dabei sind. Auf diese noble Form der Differenzierung gegenüber Mitbewerbern wird durchaus Wert gelegt. Auch und gerade bei Firmenkunden.

AKB: Und umgekehrt, wenn man eine Klasse darunter mit dem Exeo anklopft?
Wurm: Wollen wir eine Etage weiter unten mitmischen, wo zum Beispiel der Skoda Octavia daheim ist, haben wir das Problem, dass der Exeo mit seinem 120 PS starken Einstiegsdiesel in einer zu hohen Liga spielt, weil die Fuhrpark-Betreiber hier eher kleinere Motoren und somit günstigere Modelle bevorzugen. Da sind wir mit dem ebenso beliebten wie variablen Alhambra samt Vorsteuerabzug weitaus besser aufgestellt. Wobei wir auch eine Klasse tiefer, bei der Altea-Familie, ohne diese großartig zu bewerben, weit über unserem Verkaufsziel liegen. Nicht wenige Firmen, die ursprünglich einen Exeo im Fokus hatten, haben umgeschwenkt auf einen Altea – dank höherer Sitzposition, idealer Motorisierung und größerer Variabilität. Und nicht zuletzt dank Allrad, der sowohl beim Alhambra als auch beim Altea XL sehr stark gefragt ist.

AKB: Ihr Lieblingsthema Allrad-Antrieb. Da liegt viel Potenzial für Seat Österreich, das Sie wahrscheinlich nicht ganz so nutzen können, wie Sie gern würden. Oder?
Wurm: Hätten wir bei den 4WD-Modellen nicht mitunter Lieferschwierigkeiten, könnten wir sicher noch mehr verkaufen. Insofern freue ich mich ja wirklich, dass wir bei unseren vielen Neuheiten in absehbarer Zeit auch im SUV-Segment präsent sein werden!

AKB: Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Danke für das Gespräch.

Stand: April 2012

Website des Importeurs: www.seat.at

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