Brüderlein fein – einer muss der Schönste sein!

Von wegen Schönheit muss leiden. Mit dem neuen Leon zeigt Seat seit Ende des Vorjahres, dass von Leiden keine Rede sein kann. Obwohl bis vor kurzem nur als fünftüriges Hatchback-Modell offeriert, hat sich der spanische Feschak in der Golf-Klasse stark in Szene gesetzt. Auch gegenüber seinem etablierten und variantenreichen Konzern-Bruder. Denn hinter der hübschen Leon-Schale verbirgt sich ein stahlharter Golf-Gegner.

Seat Leon FR 1.4 TSI (122 PS) 10 – 7 – 4. Das ist kein hatscherter Countdown. Vielmehr vermittelt dieser „Code“ eine interessante Entwicklung: 2010 verkaufte sich der VW Golf hier zu Lande noch fast zehnmal so gut wie der Seat Leon, 2011 etwas mehr als siebenmal so oft und 2012 exakt siebenmal öfter. Ein Trend, der sich mit der Einführung des neuen Leon in Riesenschritten fortgesetzt hat: In den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 wurde das Superauto Golf VII nur noch 4,3-mal so oft zugelassen wie sein spanischer Konkurrent im eigenen Haus.

Damit ist klar: Der ewige Bestseller Golf, der auch in jedem Vergleichstest den obersten Stockerlplatz eisern verteidigt, hat an der Verkaufsfront gegenüber dem Leon der dritten Generation deutlich Terrain eingebüßt.

Datenblatt
Motor 16V-Vierzyl.-Turbobenziner, 1.395 ccm, Euro 5
Leistung 90 kW/122 PS bei 5.000/min
Drehmoment 200 Nm bei 1.400–4.000/min
Spitze 202 km/h
Testverbrauch 6,5 l ROZ 95/100 km
Normverbrauch 5,2 l ROZ 95/100 km
CO2 120 g/km
L/B/H 4.263/1.816/1.459 mm
Leergewicht 1.224 kg
Gesamtgewicht 1.760 kg
Preis EUR 22.990,- inkl. 4% NoVA und 20% MwSt.
Stand: Juni 2013

Bemerkenswert an diesem Absatz-Vergleich: Erst seit Mitte Mai wird der fünftürige Leon durch den dreitürigen Leon SC unterstützt, während der Golf ja in vielen Facetten den Käufergusto anregen kann. Und während der heimische Golf-Erfolg zu einem beträchtlichen Teil auf dem – verhältnismäßig – preiswerten Österreich-Darling Rabbit beruht, verkauft sich der Leon am besten in den höchsten Ausstattungs-Stufen.

Und das mit Abstand: „Zu 80 Prozent“, verriet uns zu Jahresbeginn Seat Österreich-Chef Wolfgang Wurm, „wird der Leon als Style und FR von den Kunden geordert. Mit 48 Prozent am stärksten die Top-Linie FR.“ Die übrigens auch das Testexemplar schmückt, auf das wir gleich zu sprechen kommen.

Ob die Beliebtheit des Leon beim Käuferpublikum weiterhin zunehmen wird, wagen wir nicht zu prognostizieren. Doch die Chancen dafür stehen nicht schlecht, zumal gegen Ende des Jahres der Kombi ST das Leon-Programm ausweiten wird. Heißt: Im Verkauf werden die Karten ganz neu gemischt. Denn bei den früheren Leon-Generationen stand ein Kombi ebenso wenig zur Wahl wie der seit kurzem erhältliche Dreitürer.

Wenn es einen würdigen Golf-Gegner gibt, dann mit Sicherheit den Seat Leon

Apropos Kombi: Der Verkaufs-Statistik zufolge kommt der härteste Golf-Widersacher nicht aus Spanien, sondern bekanntlich aus Tschechien. Allerdings spielt der begehrte Skoda Octavia als „Riesen-Kompakter“ in einer eigenen Liga. Was zwar den Kunden – völlig zu Recht – herzlich egal ist. Aber dem klassischen Golf kommt zweifellos der quirlige Leon am nächsten. Beide, sowohl der Golf als auch der Leon, messen in der Außenlänge weniger als 4,3 Meter, beim Octavia sind’s üppige 4,66.

Wie gut der neue Leon ankommt, belegt auch ein markeninterner Vergleich: In den Monaten Februar und Mai lieferte er sich bei den Zulassungen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Ibiza, der vor noch gar nicht langer Zeit als uneinholbares Zugpferd im Seat-Stall galt.

Und wie erklärt sich nun der Leon-Erfolg? Dazu muss man das Reinheitsgebot der Objektivität ein bisserl umgehen: Der kompakte Seat ist schlicht und ergreifend das schönste Auto in seinem Segment! An sein perfekt gezeichnetes Blechkleid kommen weder der zeitlos gestylte Golf noch der elegante Octavia heran, der ja vor allem als Combi eine gute Figur macht. Es scheint also was dran zu sein an der Analyse, von der uns Seat-Papa Wurm damals erzählte: „Jüngsten Umfragen zufolge gehört Design für Seat-Kunden heute zu den wichtigsten Kaufgründen!“

Natürlich darf man die Beweggründe, sich für einen Leon zu entscheiden, nicht allein aufs Design reduzieren. Der Spanier hat alle wichtigen VW-Gene intus, entpuppt sich als herrlich unkompliziertes Auto, das sich schlafwandlerisch bedienen lässt und dessen ausgezeichnete Sitz-Ergonomie nicht mal vom (serienmäßigen) Golf-Gestühl übertrumpft werden kann.

Schon unterschiedlicher fühlt sich das Handling der beiden Konzern-Brüder an: Während man sich im Golf VII in einem Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse wähnt, das ebenso satt auf der Straße liegt, mimt der Leon eher den leichtfüßigen Kurvenräuber. Überragende Fahrsicherheit ist beiden Fronttrieblern eigen. Wobei hier von Modellen mit der „simpleren“ Verbundlenker-Hinterachse die Rede ist. Die aufwändige Vierlenker-Hinterachse wird beim Leon nur in Versionen mit dem stärksten Benzin- (TSI/180 PS) oder Diesel-Motor (TDI/184 PS) verbaut.

Doch wie gesagt: Am Fahrverhalten des Leon FR 1.4 TSI mit 122 PS (dem Einstiegs-Benziner der Top-Ausstattung), gibt’s nichts zu beanstanden. Selbst das Rantasten an den Grenzbereich nimmt er erfreulich gelassen. Was einerseits dem Sport-Fahrwerk samt XDS zuzuschreiben sein dürfte, mit dem das FR-Modell serienmäßig ausgerüstet ist. Und andererseits den optionalen Continental-Pneus in der Dimension 225/40 R18, mit denen der Testwagen bestückt war. Diese sind Bestandteil eines „Österreich-Pakets“ um 1.200 Euro, das auch die begehrten Voll-LED-Scheinwerfer enthält.

Davon abgesehen, lassen sich sowohl Lenkunterstützung als auch Gasannahme elektronisch beeinflussen und durch die Wahl von „Eco“, „Normal“ oder „Sport“ auf den eigenen Fahrstil einstellen. Ein nettes Feature aus den Konzern-Regalen, in denen auch VW-Töchter wie Seat und Skoda herumwühlen dürfen. Weitaus feiner haben wir jedoch die Federung empfunden. Nämlich als überraschend ausgewogen in Anbetracht der 18-Zoll-Räder und des knackigen Fahrwerks. Zwar dringen kurze Stöße relativ ungefiltert bis in die straffen Sitzpolster durch, ansonsten muss man beim Komfort aber keine Abstriche machen.

Zu den anderen Qualitäten des Testkandidaten haben wir wie gewohnt unseren 75-jährigen Senior-Tester befragt. Seiner Bewertung – so viel vorweg – pflichten wir diesmal in jedem Punkt bei.

SENIOREN SPECIAL  (Erklärung siehe Rubrik „Über uns“)

„Nicht, dass ich unter dem Problem der Wortfindung leide“, schickt der Senior voraus, „aber manchmal ist es unvermeidbar, ein so abgelutschtes Adjektiv wie ,perfekt’ zu gebrauchen. Denn die Sportsitze im Leon FR sind wirklich perfekt, passen wie ein Maßanzug. Auf denen würde mein geknechtetes Kreuz, da bin ich mir sicher, sogar eine Weltumrundung aushalten.“

Ergänzung: Die Sitzverstellung des Fahrersitzes (der ebenso wie der Beifahrersitz über eine Lendenwirbel-Stütze verfügt) ist so variabel, dass Personen jeder Statur eine ideale Sitzposition finden. Ergo auch Lenker mit besonders langen Beinen, die im Leon ähnlich gut aufgehoben sind wie im Golf.

„An der Bedienung des Cockpits“, so der Senior weiter, „gibt es auch nichts zu meckern. Als Erbsensucher könnte man sich natürlich über das altbekannte VW-Knopferl für die Außenspiegel-Verstellung mokieren. Mit dem man in manchen Konzern-Autos besser, in manchen schlechter zurechtkommt. Na ja, und die Außenspiegel selbst: Schönes Design, aber leider zu klein. Wahrscheinlich sind sie wie beim Golf im Windkanal geschmolzen. Wobei man ihrer Formgebung eines zugute halten muss: Die Leon-Spiegel verschmutzen nicht.“

Ebenfalls auf Golf-Niveau, und zwar im besten Sinne des Wortes: „Die Verarbeitung. Sie ist absolut makellos! Beim Testwagen habe ich weder an der Karosserie noch im Innenraum die kleinste Detailschwäche entdeckt. Außerdem gefällt das Interieur durch, sag’ ich mal, sympathische Materialien. An die man nicht unbedingt Golf-Maßstäbe anlegen darf. Aber schließlich bewegt sich der Leon auch in deutlich tieferen Preis-Regionen.“ Nachsatz: „Der Klang schließender Türen mag kein fundiertes Kriterium sein, aber zumindest für die Sound-Designer von Seat gäbe es hier noch Potenzial für Verbesserungen.“

Nun zum Motor. Spät, aber doch. Warum eigentlich? „Vielleicht, weil der 1,4-Liter-Benziner ein so unauffälliger Begleiter ist. Ebenso wie sein – jetzt verwend’ ich wieder das Wort – perfektes Start-Stopp-System. Ein angenehmer, kultivierter Direkteinspritzer, der aber wunderbar röhrt, sobald man ihm die Sporen gibt. Untenrum zieht er freilich nicht so bullig durch wie ein Diesel. Schon gar nicht, wenn man den ellenlangen sechsten Gang eingelegt hat. Doch so ab 3.000 Touren geht’s los! Da legen sich die 122 Pferde richtig ins Zeug und blasen dem Turbolader quasi den Marsch.“

Erkenntnisse, die unser Senior übrigens im Fahrmodus Normal gewonnen hat: „Für mich die goldene Mitte. Zumal ich – unsensibel, wie ich bin – im Fahrmodus Sport keinen spürbaren Unterschied beim Ansprech-Verhalten feststellen konnte. Egal, bei welcher Drehzahl, egal, in welcher Fahrstufe.“ Und im Fahrmodus Eco? „Ich glaube, mich einer Anzeige zu entsinnen, die früheres Hochschalten empfiehlt…“

Tatsächlich muss man sich sehr konzentrieren, um in den verschiedenen Fahrmodi eine veränderte Leistungs-Charakteristik zu bemerken. Ad hoc registriert man eine dezente Änderung dagegen bei den Lenkkräften Und vor allem bei der Klima-Automatik, deren Wirkungsweise ebenfalls „manipuliert“ werden kann. Genau das haben wir bei der Ermittlung des Testverbrauchs tunlichst vermieden und dafür den Fahrmodus „Normal“ ausgewählt: In der „goldenen Mitte“ (© Senior) hat sich der Seat Leon FR 1.4 TSI exakt 6,5 Liter auf 100 km genehmigt.

Und jetzt empfehlen wir den Besuch der Foto-Galerie, wo sich wie üblich noch ein paar wesentliche Infos zum Testexemplar finden.

Website des Importeurs: www.seat.at

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