Er kommt wirklich weiter: Daimlers Wegbereiter

Eigentlich schwer zu verstehen: Warum wird der Allrad-Antrieb bei einem SUV als selbstverständlich empfunden, bei einer Limousine dagegen nicht? Schließlich können sich vier angetriebene Räder gerade bei geringer Boden-Freiheit als besonders hilfreich erweisen. Die 4Matic von Mercedes stellt dies eindrucksvoll unter Beweis: Wir haben uns mit einer E-Klasse, „um die sich alles dreht“, durch fußhohen Schnee und Matsch gewühlt.

mercedes_e_250_cdi_4matic_avantgarde Gleich vorweg: Auto-Kaufberatung.at war noch mit dem Euro-5-genormten E 250 CDI 4Matic unterwegs, zu dem bereits im Frühjahr 2014 ein gedruckter Fahrbericht veröffentlicht wurde. Wenige Monate danach betrieb Mercedes bei der E-Klasse die letzte „Säuberungs-Aktion“, bei der auch die restlichen CDI-Modelle 200, 220 und 250 zum Umwelt-Liebling namens BlueTEC mutierten. Unverändert geblieben ist dagegen der Allrad-Antrieb, der sich bei den Diesel-Modellen auf den E 250 und E 350 beschränkt. Und genau auf den kommt’s jetzt an. Schließlich ist der Winter angebrochen. Jedenfalls dem Kalender nach.

Datenblatt 1
Motor 16V-R4-Biturbo-Diesel, 2.143 ccm, Euro 5
Leistung 150 kW/204 PS bei 3.800/min
Drehmoment 500 Nm bei 1.600–1.800/min
Spitze 238 km/h
Testverbrauch 7,4 l/100 km
Normverbrauch 5,7 l/100 km
CO2 149 g/km
L/B/H 4.879/1.854/1.474 mm
Leergewicht 1.845 kg
Gesamtgewicht 2.410 kg
Preis € 59.486,50 inkl. 10% NoVA und 20% MwSt. (Linie „Avantgarde“)
Stand: Mai 2014

Doch zuvor zum Thema Selbstzünder & Abgas, das bei Mercedes ein interessantes Finale hat: Der Unterschied zwischen den 4Matic-Versionen von E 250 CDI und E 250 BlueTEC ist zumindest im Fahrbetrieb nicht spürbar. Der Vierzylinder-Biturbo-Diesel leistet nach wie vor 204 PS und stellt sein maximales Drehmoment von üppigen 500 Nm ab 1.600/min zur Verfügung. Allerdings beschleunigt das Auto nun um einen Wimpernschlag flotter (von 0 auf 100 km/h laut Werk in 7,8 sec statt 7,9). Deutlich verbessert hat sich dagegen der Norm-Verbrauch, der von 5,7 auf 5,1 l/100 km gesunken ist (vergleiche dazu die rechts stehenden Datenblätter 1 und 2).

Erreicht wurde diese Reduktion durch Erfüllung der Euro-6-Norm, wofür Mercedes – wie es unser Senior-Tester in seinem bekannten Charme formuliert – „a Urin-Kastl ein’baut hat“. Korrekt gesagt: Einen Behälter für die Harnstoff-Lösung AdBlue, die den Stickoxid-Anteil ganz erheblich und auch den CO2-Ausstoß etwas verringert. Natürlich kommen separate AdBlue-Tanks nicht nur bei Mercedes, sondern auch bei Diesel-Modellen anderer Hersteller zum Einsatz – wie z.B. beim Audi A8 3.0 TDI, über den wir zu Jahresbeginn 2015 berichten.

Datenblatt 2
Motor 16V-R4-Biturbo-Diesel, 2.143 ccm, Euro 6
Leistung 150 kW/204 PS bei 3.800/min
Drehmoment 500 Nm bei 1.600–1.800/min
Spitze 238 km/h
Testverbrauch
Normverbrauch 5,1 l/100 km
CO2 135 g/km
L/B/H 4.879/1.854/1.474 mm
Leergewicht 1.875 kg
Gesamtgewicht 2.440 kg
Preis € 59.686,50 inkl. 9% NoVA und 20% MwSt. (Linie „Avantgarde“)
Stand: Dezember 2014

Zurück zu den frischen BlueTEC-Modellen der E-Klasse: Zum Ärger jener Käufer, die sich den neuen Sauber-Diesel schon frühzeitig zugelegt haben, wird dieser mittlerweile nicht mehr mit einem acht Liter kleinen, sondern 24,5 Liter großen AdBlue-Tank angeboten. Serienmäßig, wohlgemerkt. Zuvor hat Mercedes den größeren Behälter nur gegen Aufpreis offeriert. Wer diese Option nicht genutzt hat, muss sich nach rund 8.000 Kilometern jedes Mal selbst um die AdBlue-Nachfüllung kümmern. Und das verlässlich. Wird sie nämlich verweigert, verweigert auch der Benz seinen Dienst. Klar: Als Euro-6-Mogelpackung darf er nicht weiterlaufen.

„Jetzt hingegen“, versichert MBÖ-Produktmanager Simon Kumposcht, „reicht das Volumen des AdBlue-Behälters locker bis zum nächsten Service, sodass immer die Werkstatt das Nachfüllen erledigen kann.“ Damit hat sich Mercedes zu einer kundenfreundlichen Entscheidung durchgerungen. Auch wenn sich durch das größere Füllvermögen das Fahrzeug-Gewicht ein bisserl erhöht und das Gepäck-Abteil ein bisserl verkleinert. Freilich: In Relation zum „alten“ CDI ohne Extra-Tank hat das BlueTEC-Modell weitaus mehr Laderaum eingebüßt: Im Endeffekt ist er bei der Limousine von 540 auf 490 Liter geschrumpft.

Keinen weiteren Verlust beim Kofferraum-Volumen bedingt der permanente Allrad-Antrieb. Und selbst wenn – er wäre es wert! Die 4Matic hat den Testwagen (der übrigens mit Winter-Pirellis der Dimension 245/40 R18 bestückt war) aus matschigen Feldwegen ebenso unspektakulär gezogen wie aus verschneiten Parkplätzen. Und für solche Traktions-Demonstrationen muss man weder ein „Sperr-Knopferl“ drücken, noch sonst etwas tun. Auch keinesfalls ESP bzw. ASR deaktivieren, wie noch gerne gelehrt wird. Einfach die Vorderräder gerade stellen und mit mehr oder weniger Gefühl aufs Gaspedal latschen! Die Allrad-Limousine schiebt sich ohne Anstrengung frei, je nach Bedarf nach vorn oder hinten.

Geht’s ums Fahrverhalten, brilliert eine E-Klasse zwar schon allein mit Hinterrad-Antrieb. Doch auf nassen oder gar vereisten Straßen ist die 4Matic natürlich klar überlegen. Wobei die Auslegung eindeutig der Fahrsicherheit zuträglich ist, also mit der Tendenz zum Untersteuern statt zum agilen Einlenken. „Kostet zwar Tempo“, erklärt der Senior-Tester, „ist aber einfacher zu beherrschen!“ Apropos: Wünschenswert wäre eine etwas mitteilsamere und weniger sensibel agierende „Direkt-Lenkung“ (© Mercedes), an die man sich leichter gewöhnt.

Geht doch: Der 2,15-Liter-Diesel im 250er ist ebenso kräftig wie geräuscharm

mercedes_e_250_cdi Keinerlei Gewöhnung – und damit kommen wir nochmals aufs Triebwerk zu sprechen – bedarf der drehfreudige Diesel-Motor, der durch homogenes Ansprechverhalten und souveräne Fahrleistungen gefällt. Ebenfalls überzeugend: Zum einen die Geräusch-Dämmung (war ja bislang keine Domäne von Mercedes-Selbstzündern), zum anderen das Automatik-Getriebe und das Start-Stopp-System. Beide erledigen ihren Job ebenso effektiv wie unauffällig. Aufgefallen ist dafür der recht kleine Wendekreis, der allen E-Klasse-Modellen gemein ist. Womit sich auch der Allradler als stadttaugliches Taxi erweist.

Und weil man es ohnehin bei (fast) jeder Taxifahrt registriert, muss man auch wenige Worte über das großzügige Raum-Angebot und die exzellente Verarbeitung verlieren. Die hervorragende Ergonomie des Fahrer-Sitzes – und zwar in normaler Serien-Ausführung – bekommt man freilich erst dann zu spüren, sobald man selbst hinter dem Steuer Platz genommen hat: Mit Kreuzschmerzen ein-, aber ohne wieder aussteigen! Überragende Langstrecken-Qualitäten, die nicht nur unser 76-jähriger Co-Tester in angenehmer Erinnerung hat.

Weniger angenehm empfindet man bei Mercedes in der Regel die Preise: Zieht man zum Vergleich zwischen Allrad- und Hinterrad-Antrieb die jeweilige Basis-Ausführung des 250 BlueTEC heran (also ohne die Avantgarde-Ausstattung des Testautos, die nach wie vor mit 2.005 Euro netto zu Buche schlägt), kostet die 4Matic-Limousine aktuell 57.100 Euro. Damit beträgt die Differenz gegenüber dem Hecktriebler mit Sechsgang-Schaltung zwar saftige 6.900 Euro. Doch für diesen Mehrpreis gibt’s nicht nur eines der besten Allrad-Systeme auf dem Markt, sondern auch die bei allen 4Matic-Modellen serienmäßige Siebengang-Automatik sowie breitere Sommer-Pneus in der Dimension 245/45 R17 (statt 225/55 R16). Kleiner Makel: Beim Hecktriebler kann man die moderne Neungang-Automatik ordern, mit der das Allrad-Modell nicht kombinierbar ist. Jedenfalls noch nicht.

So weit, so übersichtlich. Dagegen kann das Studieren und sorgfältige Abwägen aller Optionen für eine neue E-Klasse einige Stunden beanspruchen. Dabei stellt im Grunde schon die Serien-Ausrüstung zufrieden. Erst der Blick auf die Sonder-Ausstattung weckt Begehrlichkeiten auf oftmals Entbehrliches. Eine Ausnahme bilden die innovativen Assistenz-Systeme, von denen auch viele optionale empfehlenswert sind (siehe Preis-Liste ab Seite 75).

„Meiner Ansicht nach nicht nur die Assistenz-Systeme“, meint der Senior dazu. „Wobei diese Fahrer-Lotsen, wie ich sie nenne, von Herstellern wie Mercedes für uns Ältere immerhin halbwegs verdaulich sind.“ Halbwegs verdaulich? „Ja, wie soll ich’s am besten erklären… Allein die Piepserei ist nach meinem Gefühl nicht so penetrant wie bei anderen Marken, die Elektronik wirkt mit mehr Sorgalt abgestimmt. Das sind so gewisse Erfahrungswerte.“

Okay. Und welche Goodies sind demnach angesagt für die Generation Golden Age? „Quasi als Basis-Option ist die A-Edition grundsätzlich sinnvoll. Denn beim Paket A-Edition plus erwirbt man – abgesehen von den vorklappbaren Fondlehnen zum Durchladen – aus meiner Sicht eher Verzichtbares. Als sehr angenehm habe ich die wirklich zugfreie und temperaturkonstante Thermotronic empfunden, die auf Seite 67 der Preis-Liste vermerkt ist. Und gleich ab der Seite danach sollte man sich mit allem befassen, was Licht und Sicht betrifft. Gerade hier wäre Sparen sicherlich fehl am Platz. Vom beleuchteten Mercedes-Stern rate ich allerdings ab. Der ist einfach urpeinlich, würde mein Enkelkind sagen.“

Weitere „gemischte“ Senior-Kommentare zur E-Klasse finden sich sowohl beim Titelbild als auch in der Foto-Galerie.

Website des Importeurs: www.mercedes-benz.at

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